Wahrhaftig, da beherrscht einer etwas unerklärlich Rares in unseren Breiten, nämlich das Schreiben elastischer, komplexer, kraftvoller Dialoge. Sie verraten Freude an der Sprache und an ihrem Witz und sind nicht bloß Mittel, sondern immer auch ein bißchen Zweck. Zudem versteht es Christof Schertenleib, auf eine Weise zu inszenieren, die den inneren Rhythmus des Geschriebenen spürbar macht. (Der beste Text bliebe papieren ohne diese Fähigkeit.) Man wittert förmlich, wie er mit der Lust am Rezitieren auch das Gefühl für den richtigen
Fall eines Wortwechsels auf die Schauspieler überträgt. So etwas wie Musikalität (im weitesten Sinn) tut sich da an höchst unerwarteter Stelle kund: ausgerechnet in einem Lustspiel.
Daß jemand über so erlesene Talente verfügen soll, muß als uneidgenössisch auffallen, und tatsächlich, es mündet in etwas höchst Atypisches, nämlich in eine veritable Schweizer Dialogkomödie. Handelt es sich, genauer gesagt, um eine austro-helvetische Angelegenheit, so verstärkt der Kontrast zwischen schweizerischer Mundart und Österreichisch nur den sprachbewußten Charakter und den linguistischen Reiz des Ganzen. Und ähnlich, wie sich Amerikaner und Briten in ihren Filmen an den komischen Ligenarten der Anglos beidseits des Atlantiks weiden, so werden Alpenländler dies- und jenseits von Liechtenstein vielleicht eine Spur zu brav, aber doch ganz gescheit gefoppt, die einen als liederlich, die andern als pedantisch.
Wir sind ja, was Dialoge angeht, keinesfalls verwöhnt, nimmt man allenfalls die Komödien von Michel Soutter aus. Rolf Lyssy etwa, dem von allen Schweizern der Unernst sicher am nächsten hegt, mißt der Sprache kaum je Eigenwert zu. Ist ein Stoff korrekt abgefaßt und sinnvoll gegliedert, darf oder muß man hierzulande schon zufrieden sein. Kaum je läßt sich an so etwas wie Sprachkunst im kleinen auch nur denken - eine Disziplin übrigens, die wohl bloß Puristen für literarisch halten. Und wenn uns so manches gar nicht mehr als unzulänglich ins Auge sticht, dann wohl nur darum, weil traditionell nichts Besseres zu haben (gewesen) ist.
Zwei Frauen, zwei Männer am Ende ihrer Studien und zu Beginn ihrer Karrieren - zwei von dies-, zwei von jenseits des Rheins - sind unvorsichtig genug, einander nach geschlossener Ferienbekanntschaft wiederzusehen. Wie Max, Bruno, Barbara, Beatrice (und die andern) hintereinander herhecheln und einander meiden, einander ansprechen und abstoßen, anschleichen und überfallen, belästigen und ignorieren, anlügen und die Wahrheit sagen, ausnehmen und beistehen, herbei- und zum Teufel wünschen, wie sie fünfte, sechste und siebte ins Spiel bringen, wie sie sich selbst überfordern und erkennen müssen, daß die Grenzen jeder Freundschaft und allen Wohl- oder Übelmeinens notwendigerweise eng sind, von der Liebe gar nicht zu reden - das alles ist von einer munteren Wirbligkeit, die schon äußerst exotisch anmutet.
Nachgerade etwas verzweifelt hält man sich noch immer für eine aufgeklärte, bessere, weiterweisende Generation. Erst Schritt für Schritt begreifen alle, wieviel sie nur scheinbar, wie wenig sie wirklich von den Alteren trennt.
Föne ironische, skeptische, bewegliche Leichtigkeit dominiert. Sie schließt auch das hochentwickelte Bewußtsein in sich, daß es höchstens aus Versehen in der Siebten Kunst ab und zu noch etwas wirklich Neues gibt. Allerdings müßte es just in Schweizer Filmen, wie gerade Schertenleib zeigt, ein bißchen leichter sein, auf das noch nie Dagewesene zu stoßen, als cs dann effektiv der Fall ist.