„Morge, Tamtam, Pepe - Tee! ... Fadama, nimmsch au e Tee?“ Kein Schwenk auf eine familiäre Frühstücksszene am Küchentisch, sondern - Affenfütterung im Basler „Zolli“. Christoph Schaub ist nach seinen drei Spielfilmen mit Rendez-vous im Zoo wieder zum Dokumentarischen zurückgekehrt. In einer kaleidoskopartigen Montage macht er eine Bestandsaufnahme von Tierparks und Zoos in Europa und den USA. Er dokumentiert die unterschiedlichen Haltungsprinzipien: von den Schaukästen/Käfigen (in Basel und Paris) zur Inszenierung der Landschaft für einen Tiergenuß ohne Gitter (Hamburg und Paris). Vom Berliner Zoo, ursprünglich Aushängeschild der Kolonialmacht Deutschland, zum französischen Schloßpark Thoiry, wo die Löwen im Schnee flanieren. Von der klimatischen und vegetativen Nachbildung des Regenwalds in Fußballfeldgröße (im Holländischen Arnheim) zu High -Tech-Sound und Urwald-Nachbildung (in der New Yorker Bronx). Wachsender Kritik an der Tierhaltung begegnet man von Zoodirektorenseite unter dem „Vorwand“ einer neuerdings dringlich gewordenen Aufgabe: das Bewahren, das Schaffen, das Inszenieren von Restbiotopen, als Erinnerung an eine zunehmend zerstörte Natur.
Historische Aufnahmen zeigen, wie sich die verschiedenen Konzepte entwickelt haben. Zeigen auch, wie wenig sich letztlich m 200 Jahren Zoogeschichte verändert hat. Viele Fragen, die der Off-Kommentator in den Raum stellt, bleiben unbeantwortet. Warum zieht cs gerade Verliebte immer wieder in den Zoo? Was fasziniert uns an dieser (domestizierten) Wildheit? Um so mehr in einer Zeit, in der die Ferne, das Exotische in schnellen, für die meisten erschwinglichen Flugreisen individuell aufgesucht werden kann. Woher kommt die Neugier des Menschen, dem Tier direkt in die Augen schauen zu wollen?
Das Informative rund um die Tierverhaltensforschung wird durch viel Anekdotisches aufgelockert, so die Patchwork-Schilderung des Schimpansenausbruchs durch Zollidirektor, Polizist und Tierpfleger. Oder wenn M. Le Vicomte Paul de la Panousse die Errungenschaften des Sozialismus (bezahlter Urlaub, ein für das Volk erschwingliches Auto) rühmt, die es ihm, der in der 16. Generation auf Thoiry lebt, erlauben, seinen Park und damit sein Leben zu finanzieren. Eher tragische Episoden sind die Völkerschauen zu Beginn des Jahrhunderts, die das geminderte Interesse an den Tieren wettmachen sollten. Oder - traurige Ironie der Geschichte - daß sich in Mailand, dessen Zoo 1990 auf Drängen von Tierschützern geschlossen werden mußte, Obdachlose, besonders illegale Einwanderer aus Nordafrika, die verlassenen Käfige für den nächtlichen Unterschlupf aussuchen.
Schaulust ist das zentrale Thema in Schaubs Film - auch in seiner Umkehrung. Die Kamera mimt zwischendurch den Blick des Tiers auf den Menschen hinter Gitter, macht Beobachtende zu Beobachteten. Die Möglichkeit für die Tiere, sich dem Blick der Menschen zu entziehen, sie Ausdauer und Entdeckungslust zu lehren, ist ein noch neues Konzept, entledigt diese aber ihrer Rolle als Akteure für das Zoopublikum. Das inszenierte (Tier-)Bild - im Käfig, vor bemalter Kulisse, in der nachgebildeten Landschaft - verliert zunehmend an Bedeutung. Der vor die Kamera gehaltene Rahmen, der begrenzte Blick durch das Auto- oder Zugfenster auf vorüberziehende Tiere thematisiert das Auge des Filmers, verweist explizit und wiederholt auf die filmische Kadrage. Und schließt damit den Bogen mit dem Verweis auf eine andere Schaulust: der cinephilen im Kino.