Ukraine 1941. Eine junge Frau steht am Fenster, während zwei Männer mit schwerem Schritt ihr totes Kind zur Beerdigung aus der Wiege holen. Wortlos, tränenlos packt sie ihren Koffer, um nach Kiew zu gehen und in einem Frauenbad zu arbeiten. Der Badbesuch von Frauen und Mädchen erfüllt die kargen, gekachelten Räumlichkeiten mit sinnlichem Körpervergnügen, das in einen lautlosen Tanz übergeht, als die Badewärterin anfängt, für ein Mädchen Handharmonika zu spielen. Wenig später sitzen dieselben Frauen - denen sich auch eine Freundin der Hauptfigur anschließen muß - in der Straßenbahn, in Richtung Babi Yar, wo sie zusammen mit anderen jüdischen Frauen, Männern und Kindern (insgesamt über 30000) von den deutschen Nazis exekutiert wurden, so der Epilog.
Der kurze poetische Schwarzweißfilm von Dominique de Rivaz ist ein Spielfilmfragment, das in seiner Intensität einer langen Version der Fakten in nichts nachsteht. Eine ausgesuchte Bildkomposition, eine bemerkenswerte, die Räume auslotende Kameraführung und eine eindringliche Tonspur (Schritte, Nachwippen der Waage, Schüsse...), die phasenweise aus dem Off als erzählende Stimme fungiert, skizzieren die Zeit und das Geschehen. In behutsamen Szenen werden so in stimmiger Dichte Trauer, Freundschaft, Liebe und Abschied Umrissen, in Traumvisionen die unfaßbare Barbarei der Vernichtung menschlichen Lebens durch die Nazis im Zweiten Weltkrieg vorweggenommen. Vor allem aber gibt Le Jour du bain den Einbruch von antisemitischer Ideologie in den Alltag und das friedliche Zusammenleben einer ethnischen Gemeinschaft am Beispiel dieser Gruppe von Frauen eindrücklich wieder.
Fern jeder offiziellen Gedenkintention entspringt der Film de Rivaz’ persönlichem Interesse für russische Kultur und Geschichte, für die dort beheimatete religiöse Spiritualität und Filmtradition. Als Assistentin bei Bakhtyar Khudoynazarovs Bratan und Kosh ba kosh hat sie für ihren Film seine Hilfe erhalten, wie auch der größte Teil der Crew aus Tadschikistan stammt. Von den Darstellerinnen hat nur die Hauptfigur, die Schwedin Ingvild Holm, eine schaupielerische Ausbildung, die übrigen sind Laien. Ein überzeugendes, atmosphärisch dichtes Filmpoem ist aus dieser völkerverbindenden Zusammenarbeit entstanden.