ULRICH WENDT

DA & DORT (THOMAS KREMPKE)

SELECTION CINEMA

Zu Beginn von da & dort sehen wir einen Beduinen, ein afrikanisches Familientreffen, eine tamilische Hochzeit. Doch schon bald wird klar, daß es in diesem Film weniger um die Fremden geht als um die Schweizer, die ihnen begegnen. „Was nützt mir das bunte Kleid - ich bin bleich“, sagt Frau Schmid, die sich für das tamilische Hochzeitsfest umzieht. Die Reiseleiterin Cornelia Mayinger, die mit einem Tuareg verheiratet ist, genießt den ruhigen Lebensrhythmus in der Wüste. Den Monteur Hans Hecher zieht es immer wieder nach Südamerika. Wer es bis dreißig nicht geschafft habe, in der Schweiz zu bleiben, meint er, der könne nicht mehr mit dem Nomadenleben aufhören. Die Hauptpersonen dieses Dokumentarfilms erfahren, wie sich durch den Kontakt mit den Fremden ihre bisherige Lebenswelt erweitert. Thomas Krempke begleitet sie in vier Handlungssträngen nach Ecuador, Algerien, Ghana und Sri Lanka. Mit schöner Unregelmäßigkeit hat er die verschiedenen Stränge verwoben. In einer Einstellung wird Marcel Kammermann auf seinem Rückflug von Ghana in die Schweiz gezeigt. Aber es ist der gerade aus Ecuador kommende Hans Hecher, der in der folgenden Szene im Flughafen die Koffer vom Förderband nimmt. Auf Hechers Super-8-Auf- nahmen von Indios und einer Dampflok in Südamerika folgt eine Einstellung, in der wir sehen, wie er am Fenster eines Zuges sitzt, der durch die Schweiz fährt, und sehnsuchtsvoll nach draußen blickt.

In da & dort gibt es wunderbare Reisebilder, die Patrick Lindenmaier photographiert hat. Besonders dicht wirken die Szenen bei den Tuareg in der Wüste. Die Sonne geht gerade auf, die Erwachenden liegen noch im Schatten. Wir sehen ihre Morgengesichter, ein Feuer brennt, Tee wird gekocht, der Sand wird mit seinen Kuhlen zum Spielbrett umgestaltet. ln solchen Augenblicken erinnert da & dort an Middle of the Moment von Werner Penzel und Nicolas Humbert, die auch mit den Tuareg und anderen Nomaden umhergezogen sind. Doch im Gegensatz zu ihnen verläßt sich Thomas Krempke nicht auf die poetische Kraft der Bilder. Die vielen Erklärungsversuche seiner Hauptpersonen stören den Ablauf des Films. Die Kamera befindet sich auf Reisen, die Gedanken bleiben im Lande.

da & dort hinterläßt eine gewisse Ratlosigkeit, weil er die Gründe verschweigt, aus denen er gemacht wurde. Geplant war er anfangs als Film über die Fremdenfeindlichkeit in der Schweiz. Indem da & dort aber nur nette Menschen zeigt, bleibt er ein Gegenfilm hinter vorgehaltener Hand.

Ulrich Wendt
geb. 1962, lebt in Hamburg als freier Schriftsteller, Musiker und Filmemacher.
(Stand: 2019)
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