Der 1955 geborene Jörg Helbling absolvierte vor fünf Jahren beim polnischen Regisseur Krysztof Kieslowski ein Drehbuchseminar; den Stoff, den er damals entwickelte, hat er mit viel finanziellen Mühen schließlich selbst in Szene gesetzt. Der Nebelläufer erzählt von Michi, einem sensiblen Jungen, der in kleinbürgerlichem Milieu aufwächst und darunter leidet. Insbesondere belastet ihn, daß er keinen Vater hat und die Gründe dafür nicht in Erfahrung bringen kann. Nach einem Selbstmordversuch schiebt ihn seine Mutter in ein katholisches Internat ab. Hier lebt sich Michi anfänglich gut ein, doch seine Nähe zu einem drogensüchtigen Pater und seine Liebe zu einer taubstummen Küchenhilfe bringen ihn erneut in Schwierigkeiten.
Schon in seinen rostigen Grün- und Rottönen verrät Helblings Film den Einfluß seines experimentierfreudigen Lehrers Kieslowski. Auch sonst orientiert sich der Regiedebütant am Kosmos seines Mitkatholiken. Zufall und Willkür regieren die Welt, sie ist ein schlechter Ort für die Liebe, und ihre Visualisierung, die das Chaos mit unverhohlener, lakonischer Gegenwillkür strukturiert, verweist in ihrem fragmentarischen Charakter stets auf eine transzendente Ordnung. Das insgesamt überzeugende visuelle Konzept des Nebelläufers ist allerdings nicht metaphysisch kodiert wie bei Kieslowski, sondern psychologisch. Die fiebrige Handkamera macht Michis adoleszente Unfähigkeit zur Perspektivierung seiner Emotionen, zur Distanzierung und Abgrenzung, sicht- und erfahrbar. Als Kontrapunkt dazu dienen Bildmomente der Distanzsuche. Michis Blick durch den Lauf eines Luftgewehrs, sein Blick auf eine Hochzeitsgesellschaft durch die behelfsmäßige Zerrlinse einer grünen Weinflasche sind optische Krücken, die als Metaphern eines problematischen, „unscharfen“ Weltverhältnisses auf Anhieb einleuchten. Das mag simpel gedacht sein, aber es ist filmisch gedacht, und es sind diese Einfälle, die dem Film eine bemerkenswerte emotionale Stetigkeit verleihen.
Die Schwächen liegen beim Drehbuch. Insbesondere wirkt die Darstellung von Michis Welt irritierend nostalgisch; von solcher Verklemmtheit und Muffigkeit war wohl die Schweiz der fünfziger Jahre. Als Milieuschilderung bleibt Der Nebelläufer ortlos, trotz - oder gerade wegen - aller ostentativen Anbindung an die Gegenwart in Ausstattungsdetails. Sie allein kompensieren nicht, daß in Helblings Bildeinfällen letztlich doch zuwenig an nachvollziehbarer Wirklichkeit geboten wird.