Kaum zu glauben, wie das Erstlings-Syndrom einem mitspielen kann. Vor sechs Jahren gaben Tania Stöcklin und Cyrille Rey-Coquais mit Georgette Meunier das vielleicht bemerkenswerteste Debüt, das junge Autoren während jener ganzen Dekade in der Schweiz vorzuweisen hatten. Es war ein verspielter, ironischer und doch ernster und kraftvoller Film, der besonders auch durch seine ausgezeichneten Darsteller auffiel.
Jetzt haben die beiden zusammen wieder das Drehbuch zu Joe & Marie geschrieben, und Tania Stöcklin hat es diesmal allein realisiert. Liegt es an den zu großen Erwartungen, liegt es an der anderen Verteilung der Aufgaben, liegt es an dem Einvernehmen zwischen den beiden, das möglicherweise gelitten hat, liegt es an der schwachen Kamera von Ciro Cappellari oder an der durchweg ungenügenden Besetzung (Matthias Gnädinger selbstverständlich ausgenommen), das Ergebnis ist leider entmutigend. Manchmal wirkt es sich eben ungut aus, wenn der Erstling gar so gut gelingt.
Dabei liegen die Ähnlichkeiten mit Georgette Meunier nahe. Alles dreht sich wieder um jungweibliche Rebellion, die sich bis zum kriminellen Ansatz steigert. Schon im zartesten Alter geht Marie, die in einer provinziellen Hafenstadt aufwächst, den Weg einer Unbeugsamen und Unerschrockenen aus Instinkt und Liebe für ihren ebenfalls noch sehr unerfahrenen Joe. So überzeitlich das Motiv, so gründlich mißrät der Versuch, Ursprünge, Anlässe und Ziele rebellischen Verhaltens plausibel zu machen. Die großen Gefühle, die sich gemeinhin mit der Widersetzlichkeit verbinden - Enttäuschung, Trotz, Wut, Aggression, Freude am Widerspruch und am Kaputtmachen -, stecken in diesen Schauspielern nicht drin. Oder falls doch, dann gelangt kaum etwas davon aus ihnen heraus.
Sind vielleicht die beiden Autoren innert sechs Jahren der eigenen Auflehnung entwachsen und vertreten das, was sie damals so vehement verteidigten - ein beinahe anarchisches Recht, sich mit fast allen Mitteln gegen eine beengende Umgebung zur Wehr zu setzen -, heute mit weniger Überzeugung? Die auffällige Energielosigkeit des Films gibt einem diesen Gedanken ein.