Geschichtsschreibung, Erinnerung, Trauerarbeit, Bewältigung: was ist Schumachers Doppelporträt des Basler Staatsschutzbeamten Peter Gasser und des Zürcher Polizeispitzels Heinrich Burch, der sich „Henry Gasser“ nennen ließ? Gasser und „Gasser“ ist ein Film gegen das Vergessen, zweifellos; was er will und soll, überläßt der Autor aber dem/der Betrachterin. Es sei kein Film über die Fichenaffäre, hat Schumacher beteuert. Aber was kann er dann sein, besonders wenn der Autor die Geschichte des von Selbstzweifeln befallenen Staatsschutzbeamten mit einer Chronologie des Fichenskandals - Tagesschaumaterial, Zeitungsüberschriften und -texte - aufrollt? Schumacher versucht mit Hilfe jener, die Peter Gasser nahegestanden sind, den Seelenkonflikt des aufrechten Liestaler Beamten darzustellen, das heißt erlebbar zu machen. Es zeigt sich, daß dem Film dabei die Bilder fehlen. Dem Autor gelingt es nicht, ein Waldstück, eine Kuhweide, einen Vorgarten emotionell so aufzuladen, daß wir sie als Schauplätze eines schwierigen, ja ausweglosen Lebens spüren. Dennoch stellt sich eine Art diffuse Trauer ein: über den Stellvertreterkrieg, den die verantwortlichen, politisch organisierten Staatsschützer im eigenen Land angezettelt haben, und über die Machtlosigkeit der Stellvertreter, wenn sie nach der Enttarnung des Systems die Rollen der Sündenböcke nicht spielen mögen.
Spannender ist der zweite Teil. Schumacher macht Bild- und Tonmaterial öffentlich, das sonst nur im kleinen Kreis gebraucht wurde. Nur: Um das Thema des Verrats und des Mißtrauens wirklich zur Sprache zu bringen, braucht er auch hier wieder eine Reihe von Interviews, die er allerdings dichter inszeniert, als man es vom Fernsehen gewohnt ist. „Gassers“ Geschichte erscheint als eine große Farce; den ironischen Ton beherrscht Schumacher problemlos. Dieser bringt die notwendige untergründige Schärfe, handelt es sich doch nicht um „Seldwylerei“, sondern um den Verrat der Bürgerinnen nicht nur durch ein paar paranoische Beamte, sondern vor allem auch durch sogenannte Volksvertreter.
Schumachers Eleganz der visuellen Arrangements und der Montage läßt eine Frage immer deutlicher aufkommen: Hätten ein oder zwei Spielfilme die Befunde und Absichten nicht dringlicher machen können? Mir scheint, es habe sich in die beiden dokumentarischen Rekonstruktionen eine ungewollte Versöhnlichkeit eingeschlichen.