Zu leicht stellt man sich Jean-Luc Godard als einen abweisend in sich gekehrten Einzelgänger vor. Bei näherem Hinsehen erweist sich das Bild als zumindest einseitig, hat er doch immer auch seine ausgeprägten künstlerischen Partnerschaften gehabt. Nachgerade an erster Stelle figuriert da die über zwanzig Jahre alte (auch private) Beziehung zu Anne-Marie Mieville. Tout va bien von 1972 stand am Anfang dieser Zusammenarbeit, in deren Verlauf die gebürtige Lausannerin namentlich als Co-Realisatorin und Szenaristin fungiert hat.
Daß sie unter derlei Gegebenheiten auch ihre vollgültige eigene Filmemacherin sein lwnne, wird oft in Abrede gestellt. Herablassend ist dann eher von einem zierlichen Nebengeräusch die Rede. Und oft genug zieht das Vorurteil die Vermutung nach sich, sie wäre ohne ihn nichts und niemand. Schlüsse sind nach einigen Kurz- und zwei Langfilmen gewiß verfrüht. Doch zeigt Lou n'a pas dit non jetzt noch deutlicher als Mon cher sujet von 1988, daß Miéville weder als Anhängsel noch als Epigonin gelten darf. Seit langem ist sie vielmehr daran, sich zu einer Art von weiblicher Gegenfigur ihres so betont maskulinen Mentors zu entwickeln, ohne nun aber einfach Godard au féminin zu werden.
Allmählich beginnen die Früchte (und vielleicht auch die Folgen) langjährigen Zusammenlebens und -wirkens über die Gcschlechtergrenze hinweg sichtbar zu werden. Der audiovisuelle Stil, der die Bilder als eine Art Gemälde und die Töne als Bausteine einer Montage begreift, ist stark von der bewußten Seite her beeinflußt, und das Gleiche spielt auch auf der thematischen Ebene - wenn denn so etwas wie ein Gegenstand vorhanden ist und nicht eher das Fehlen eines solchen zu vermerken wäre. Die Gemeinsamkeiten laufen darauf hinaus, daß wohl Ähnliches auf ähnliche Weise dargestellt wird. Nur erscheint eben alles in eine andere, feinere Sensibilität getaucht, wie eingeschlossen von einer vibrierenden Aura von Femininität.
Gewiß, die atemberaubend schöne, elektrisierend kühle Marie Bund könnte auch bei Godard als Hauptdarstellern! auftreten. Doch erreicht Mieville mit der Art und Weise, ihre enigmatische Protagonistin zu filmen und Bilder aus ihrer Welt zu entwerfen, eine intime, atmosphärische Dichte, die bei Godard in dieser Form fehlt. Zu sehr ist er wie gefangen in seiner aggressiven, männlich begehrenden Sichtweise. Mieville ist nicht weniger erotisch disponiert als er, doch bestimmt sich ihr Empfinden für die Spannung zwischen den Geschlechtern (als eigentliches Salz des Lebens) konträr, vom Weiblichen her.
Im übrigen hat (es sei für die Synopsisabhängigen hinzugefügt) der Film tatsächlich eine Art Inhalt, der auf Briefen zwischen Lou Andreas-Salomé und Rainer Maria Rilke beruhen soll. Das Motiv, auf das die Sache hinausläuft (um fast noch zur Geschichte zu werden), ist die Frage nach dem Ja, welches nur dann echt sein könne, wenn es nicht unbedacht erteilt wird, sondern auch einem Nein entsprechen könnte. Was immer mit diesem noblen Gedanken gemeint sein mag.