Wieder geht es in einem Film von Jean-Francois Amiguet und seiner Drehbuchautorin Anne Gonthier um bürgerliche Beziehungsprobleme. Doch dem Nervösen, Problematischen hat Amiguet dieses Mal einen Übergriff in die Form, in den Körper seines Films verwehrt. Siebenmal soll das Drehbuch in langjähriger Arbeit umgeschrieben worden sein und hat dadurch mit Sicherheit die Beziehung auf eine harte Probe gestellt. Gesucht haben die beiden Autoren eine Art „klassischen“ Film, sie haben gehobelt, geschliffen und poliert, demontiert und neu montiert. Der Film schließlich ist glatt und ausgefeilt, so sehr, daß man sich Ecken und Kanten wünscht.
Der erste Teil der Trilogie, Alexandre (1982), erinnerte an den ungehobelten Charme Michel Soutters, der zweite, La Méridienne (1987), an die unausgefeilte Generosität Eric Rohmers. Woran erinnert der dritte? Nur noch an sich selbst; dauernd verweist er auf die Eleganz seiner Machart. Das fängt bei der ersten Einstellung an, einer komplizierten, aber geradezu schwerelosen Kranbewegung, die den komischen Helden Jacques und die Wohnung seiner von ihm getrennten Frau Fanny abschwenkt und gleich noch das erste „Handlungselement“ -Jacques schmeißt einen Schuh über die Straße, er bleibt vor dem Fenster liegen - einpackt. Die Handlung, versteht sich, ist rein innerlich, Vorwand für gepflegte, manchmal gestelzte Dialoge. Weil Jacques sich entschließt, seine Liebe auf Umwegen neu zu erklären und
Fanny gleichzeitig zu prüfen - er ist zwar polygam, aber eifersüchtig, so wie er Fluglotse ist und gleichzeitig Angst vor dem Fliegen hat -, kommt ein Dritter dazu, der „écrivain public“ eben, sagen wir der Dichter, der niederzuschreiben vermag, was Jacques nur halbwegs begreift.
Das Drehbuch hat allüberall gefallen, der schweizerischen und französischen Förderung (die den hier gegebenen Beitrag postwendend bei einem minoritär schweizerischen Werk wieder zurückbekommen hat), dem schweizerischen und dem französischen Fernsehen, der Förderung der Region Rhône-Alpes und der Eurimages (mit Griechenland als drittem Partner). Die gleichen, die das perfekte Drehbuch und die gute Besetzung über den grünen Klee gelobt haben, sind nun über das Ergebnis enttäuscht.
L'écrivain public kommt in kultivierter Weise auf die alte Film-Dreiecksgeschichte zurück, weniger melodramatisch als die guten alten Schinken, aber auch weniger bedeutungsschwanger als jene etwa, die heute der fast allseits überschätzte Krzysztof Kieslowski zum besten gibt. Die Behauptung, Amiguet habe nichts zu sagen, ist bestimmt falsch. Nur sind seine Herztöne so fein und spitz wie eine Hundepfeife. Er bringt es fertig, daß man sich eher fragt, ob man noch auf der Frequenz ist oder bereits nicht mehr, als daß man aggressiv wird und bockt. Interessant wäre zu wissen, wie die Fernsehzuschauerinnen reagieren, sie, die im allgemeinen währschafte Kost der Feinschmeckerei vorziehen, sich aber manchmal als erstaunlich wahre Gourmets entpuppen.