CLAUDIA WEILENMANN

GOTTFRIED HONEGGER (PETER MÜNGER)

SELECTION CINEMA

Der Plastiker und Maler Gottfried Honegger (geb. 1917), engagierter Vertreter der konkreten Kunst, ist einer der international bekanntesten Schweizer Künstler. Der Film über ihn ist weniger ein Porträt als ein Selbstporträt, für das die Filmemacher dem Künstler ihr videotechnisches Know-how zur Verfügung stellten. Seinem im Prolog deklarierten Willen entsprechend, soll der Film sein wie seine Kunst: „extrem präzis gegliedert“, mit „Rhythmus und Takt“.

Der Prolog und ein längerer reflexiv-abgeklärter Epilog des Künstlers bilden den Rahmen zu neun thematischen Teilen mit den Titeln: Herkunft, Standort, Freiheit, Methode, Computer, Technik, Auftrag, Öffentlichkeit und Werkschau.

Prolog und Epilog (im Bild Frontal- und Rückenansicht Honeggers) sind schweizerdeutsch, der Hauptteil ist hochdeutsch gesprochen. Einem Ritual ähnlich, markiert das stumme Aufhängen einer weißen Reliefscheibe in zehn Variationen jeweils die Grenze zwischen den einzelnen Filmteilen. Die Kamera begleitet den Künstler zu den prägenden Orten seines Lebens und Arbeitens: nach Sent im Engadin, in die Ganzheit symbolisierende Heimat der Mutter; nach Zürich, in die Vaterstadt als Ort der Ausbildung und Politisierung („hier wurde ich Sozialist“); nach Paris in sein Atelier; an die Standorte seiner öffentlichen Skulpturen; oder nach Südfrankreich, in das von ihm und seiner Gefährtin Sibylle Albers aufgebaute Museum „Espace de l’art concret“.

Interessant, weil an der Schnittstelle zwischen Künstler und Werk, sind die Passagen, die Honegger konkret beim „Machen“ zeigen. Sei es beim Anwenden des Zufallsprinzips mit einfachen Würfeln oder mit dem Computer, beim fast meditativen Grundieren einer Leinwand oder beim Sägen von Styropor für das Modell einer Skulptur. In dichten, rhythmischen, auf den Punkt formulierten Texten kommentiert und interpretiert der Künstler (aus dem Off) seine biographischen Stationen selbst und formuliert immer wieder die sozialen Ziele und Bezüge seiner Kunst („Kunst als soziale Notwendigkeit“, „Kunst als sensibelste Form der Sublimation“). Seine Stimme bleibt die einzige im Film. Auf Fremdkommentare, Gespräche, Musik oder gar (kritische) Fragen wird radikal verzichtet.

In ihrer formalen Strenge bietet diese „Videodokumentation“ ein reiches, aussagekräftiges Bild des künstlerischen und gesellschaftspolitischen Selbstverständnisses von Gottfried Honegger. „Als Vorbild, nicht als Abbild“ will er seine Kunst verstanden wissen. Und konsequenterweise zeigt auch der Film ein leicht idealisiert-stilisiertes Künstler-Vorbild und nicht ein kritisch-differenziertes Abbild von Honeggers Leben und Philosophie. Uber die im Epilog lediglich erwähnten „Löcher“ in seiner Biographie erfährt man im Film nichts. Es bleibt ein Nachgeschmack von Hofberichterstattung.

Claudia Weilenmann
geb. 1960, Studium der Germanistik, Europäischen Volksliteratur und Pädagogik, lebt in Zürich.
(Stand: 2019)
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