DORIS SENN

TAGE IM GALOPP MIT ERNST SCHURTENBERGER (TOBIAS INEICHEN, BERNHARD WEBER)

SELECTION CINEMA

Er zeichnet, malt und reitet; er führt bisweilen gereimte Selbstgespräche, sammelt Platten und Grammophone, die er aus Überzeugung nie abstaubt; er wettert gegen die Dorfbewohner und beschimpft seine Nachbarn nächtens zum offenen Fenster hinaus; kurz ein eher skurriler Typ.

Die Rede ist von Ernst Schurtenberger, gebürtiger Luzemer, 61jährig, seit fast drei Jahrzehnten in einem österreichischen Bauerndorf lebend und arbeitend. Tobias Ineichen und Bernhard Weber haben ihn einen Tag (!) lang mit der Kamera begleitet, Aussagen von ihm nahestehenden Personen gesammelt und daraus ein Porträt des eigenwilligen Malers zusammengestellt. Darin dokumentieren sie seinen Kampf mit den für ihn außerordentlichen Alltäglichkeiten ebenso wie die Toleranz trotz Unverständnis, die ihm seine bäuerliche Nachbarschaft entgegenbringt. Die Ausführungen seiner Frau, die sich mit seiner Art arrangiert hat, und diejenigen seiner Galeristin über die ansteckende Hektik des spleenigen Künstlers runden das Bild ab.

Wie seine Malerei bewegt sich Schurtenberger selbst zwischen Ordnung und Chaos. Rituale prägen seinen Tagesablauf, seine Unordnung hat System. „Am Morgen habe ich eine Wut, weil ich keiner normalen Arbeit nachgehe, davon mache ich mich gedanklich frei, indem ich den Teetopf abzeichne.“ Von seinem unkonventionellen Haarschnitt hat er eine ebenso präzise Vorstellung wie von der Farbe des Frisörmantels, den er sich zum Haareschneiden aussucht. In seinem Garten malend - und das Gemalte für sich lautstark kommentierend erinnert er an Don Quijote: die vertrockneten Pinsel als Lanzen, mit denen er die widerspenstigen Formen und Farben auf der Staffelei zur Räson zu bringen sucht.

Der mit Witz und Drive realisierte Film ist eine liebevolle Hommage an den extravaganten Künstler.

Doris Senn
Freie Filmjournalistin SVFJ, lebt in Zürich.
(Stand: 2021)
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