CATHERINE SILBERSCHMIDT

DIE ZUKÜNFTIGEN GLÜCKSELIGKEITEN (FRED VAN DER KOOIJ)

SELECTION CINEMA

Endlich wieder einmal ein Film, der heftige Kontroversen und rote Köpfe provoziert, nicht wegen seines Inhalts, sondern wegen seiner Form. Ein buntes Verwirrspiel durch die Zeiten: da flüchtet der englische Philosoph Thomas Hobbes 1642 vor dem Bürgerkrieg nach Frankreich und entwirft inmitten der Kriegsgreuel eine Zukunftsvision, die im 20. Jahrhundert spielt, „ein Heldenepos über das Leid der kleinen Leute“. Durch die faszinierende Montage der Zeitebenen vermischen sich die „Schrecken des Krieges“ mit den „Schrecken des Friedens“. Mit Lust und Bosheit kombiniert van der Kooij psychisches Elend der Konsumgesellschaft mit dem mehr physischen der Bürgerkriegsopfer.

Das Verwirrspiel der Zeitmanipulation irritiert um so mehr als es gekonnt inszeniert ist. Elegant und geistreich - mit faszinierenden visuellen und akustischen Kunstgriffen - werden die Zuschauerinnen vom 17. ins 20.Jahrhundert und zurück manipuliert. Der Verzicht auf die literarische Narration konkurrenziert zum Teil mit einem allzu elaborierten Dialog, der der Sprache einen zu prominenten Raum gewährt und die Leinwand stellenweise zur Theaterbühne umfunktioniert. Hohe schauspielerische Qualität und eine für Schweizer Verhältnisse einmalige Liebe zum Detail in den Dekors kombiniert mit der bittersüßen Ironie über die Verhältnisse der Realität ermöglichen dennoch einen seltenen Kinogenuß.

Außerdem wird in van der Kooijs Film Gewalt nicht als historisches Ereignis, sondern als Grundkomponente menschlicher Existenz dargestellt, damit bleiben die Zukünftigen Glückseligkeiten einer der raren Schweizer Filme, die im weitesten Sinn als Beitrag zum aktuellen Kriegsgeschehen (Irak) verstanden werden können, und sei es nur deshalb, weil darin der Terror der Konsumgesellschaft nicht weniger zerstörerisch dargestellt wird als die Greuel des Bürgerkriegs in England.

Catherine Silberschmidt
ist freie Journalistin in Zürich.
(Stand: 2019)
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