Da sitzen wir also, wo wir schon gestern und vorgestern sassen, und glotzen. Je mehr wir uns über das sinkende Niveau des Vorabendprogramms beklagen, desto mehr konsumieren wir es. Der Widerspruch zwischen Bedarf und dem Tadel am Angebot wird halsbrecherisch. Unser Bedürfnis - man kann schon von einer Notdurft reden, beruht auf einem von Fachleuten und Kommunikationswissenschaftlern aufgestellten Axiom, das jedem von uns schon einmal unwissenschaftlich ins Fleisch gefahren ist. Nicht wir schauen TV, es schaut uns, es hat uns, mit Haut und Haaren und allen Konzessionen - oder wollen wir das imperialer formulieren? sozusagen imperial-demokratisch in der Dämmerung der neuen Staatsform: wir sind das Fernsehen. Wir sind das TV- Volk, und die eigentliche Wirklichkeit ist die Medienwirklichkeit.
Es ist nicht das Bild, das diese Parallelwirklichkeit ausmacht. Dazu braucht es noch immer die Grossleinwand. Es ist diese Mitmenschlichkeit, in der wir uns suhlen, die von der Bildschirmstube in unsere schwappt. Und wir nehmen an ihrer Sprache teil. Wir lieben dieses Palaver, dieses endlose Plätschern, gleichviel ob es aus geweihtem Munde kommt, ob es News aus dem politischen Epizentrum oder Treppenhausklatsch ist, denn es ist ein und dasselbe.
Die Aufbereitung macht’s möglich: die Einebnung sämtlicher Klassen- und Bildungsbarrieren, die Auflösung des Ortes und der Zeit in einem einzigen Teig, dem Gerede, dem Reden, der Artikulation an sich. Es handelt sich um die Sprache in ihrem mythischen Zustand, um jenes vorschriftliche Lallen, das sich nach Vilém Flusser, dem wieder entdeckten Sprachphilosophen, erst durch die Festschreibung in Sprache verwandeln wird. Deshalb halten wir uns vor dem Bildschirm lieber in diesem Stadium avant la lettre auf. Denn es ist unkontrollierbar. Das ist das Geheimnis seines Erfolgs: die Artikulation anstatt der Kommunikation. Sie bedarf keines Diskurses, der löst sich zum vornherein in einer sämigen Sauce. Der Widerspruch, der eine Dialektik ergäbe, zumindest aber einen Dialog, der diesen Namen verdient, ist eingerührt in den Brabbelteig, den alle, vom Nachrichtensprecher, bis zur Märchentante, vom Dorfpolitiker bis zur Diva in den Mund nehmen, ihn gut einspeicheln und durchkauen und ihn gut eingespeichelt und durchgekaut wieder von sich geben, als wär’s das eigene Hirnsekret. Nennen wir ihn den talk, diesen Brabbel-Teig, der in der Synchronisation der amerikanischen Serien sein Höchststadium erreicht: die vollkommene Norm. Es ist der talk, der Fernsehen macht, dieses kornfreie, amorphe Gerede, die Artikulation an sich, und die erreicht ihre optimale Luftblasenballung in der Vorabendserie.
Degustationsbeispiele
Nesthäkchen - Das Vokabular entstammt Trotzkopfs Zeitalter, die Tischmanier setzt sich in der Sprachmanier fort. Der Tonfall ist fesch und patent. Die Dialoge dieser Kostümklamotte sind zeitgemäss aufbereitet und in jenem kehligen Kinderdeutsch abgefasst, das die Herzen der Omis entzückt. Das Leben gibt sämtlichen Klischees recht, die tieferen Einsichten in die menschliche Natur werden am Kindermund erprobt. Der plaudert von des Kaisers neuen Kleidern. Er spricht aus, was am Tische des Fin-de-siècle noch tabu ist.
Lindenstrasse - Hier spricht das Leben selbst per Du aus dem Bildschirm zu uns. Die Verlierer und die Versagerinnen, die Abgebrannten und die Scheidenden haben hier eine Schicksalsstimme, die dem Proletkult abgelauscht ist. Die Idiomatik ist sattelfest, beim Transportgehilfen, beim Spediteur, bei der Hausfrau, beim Taxifahrer und dem Barkeeper um die Ecke. Der darf übrigens ruhig einmal ein Italiener sein, oder sogar ein Türke. Hier bekommt jeder und jede Gelegenheit, sich neudeutsch einzubringen in die allgemeine Fatalität des Lebens.
Da wird Demokratie durch Sprechen geübt, es kommen alle einmal dran, vor allem wird viel gemotzt, gerotzt, reklamiert und gegrollt über den Gartenhag des Dialekts, der in Episoden sagt, wo es lang geht, und so das gewünschte Lokalkolorit bewirkt.
Ein Fall für Zwei, Krimiserie - Die Sprache ist kumpelhaft, hat aber eine Adresse im ersten Stock der Gesellschaft. In der Detektei weicht sie zurück im Lapidarstil einer anfallenden ’Äkschen“. Haste-biste-mach-schon, Vorwärts, nun biste dran. Hart vorn liegt die Sprache und endet exklamatorisch knapp vor dem Schuss in der Tiefgarage. Harte Geschosse von unter der Zunge, doch knapper, härter als in der Lindenstrasse. Kein Wort zuviel diesmal und ein Gelingen zwischen den Lippen im Imperativ: hau ab, nun hauts hin, mach die Kohlen flüssig.
Die glückliche Familie - Das Reden hat hier ein gemütliches home am Cheminée des Mittelstandsglückes, die story ist geruchs- und geschmacksfrei, doch in der neuesten Kollektion von ’Leben“ serviert: Aids, Verhütung, Gentechnologie in Vatis Labor und die neue Konkurrenz von Frauen in männlichen Büros. Die Sprache als psychohygienisches Placebo macht alles wieder gut, ist in tüchtigen Portionen von Lebenserfahrung allzeit lieferbar von der Herz- am-rechten-Fleck-Mutti (der unverwüstlichen Maria Schell) mit dem ewigen Lächeln hinauf in die Zukunft.
Liebling Kreuzberg - Jeder Person eine Sprache und jeder Type eine Person: Massarbeit. Hier schlägt die Idiomatik über den Horizont des Sozialkitsches hinaus. Rechtsanwalt Liebling (alias Manfred Krug), ein Sitzriese und Geistesathlet, bewegt sich auf einem imponierenden Reflexionsniveau, das auch mit Pausen zurechtkommt. Dialoge vom Pflaster in der Tradition eines Döblinschen Berlins (Alexanderplatz) umpoltern ihn, der sich meist abzusetzen weiss.
Hier sitzt ein lakonischer Intellekt auf der Zunge, der Qualität und Aroma hat. Sogar das Helfen, zudem diese Serie neigt, (verfasst vom Ost-West-Schriftsteller Jurek Becker) ist sprachlich glaubwürdig, Becker hält den sogenannten kleinen Leuten die Stange, auch wenn sein Frauenbild oft etwas martialisch vergröbert wirkt.
Dallas, Denver & Co. - No further comment, Darling. Wenn du noch immer nicht checkst, was dort drüben gelaufen ist, bei den superreichen Emporkraxlern und den fiesen Intriganten, wer wen wieder ausgetrickst hat im Bett und an der Börse. Das kommt ja, wie man weiss, ganz stark an, hat einen sprachlichen Auftritt mit Hollywood-Power, prescht hart aus den gepflegten Venusbögen der Münder, und jemand bleibt stets auf der Strecke. So auch die feineren Töne, okay Honey, wie gehabt.
Der Nachtfalke, amerik. - Die Macht der Sprache in Gods own Country, dem Fernsehen. Das all-amerikanische Schicksal donnert durch den nächtlichen Äther, aus dem Organ des Diensttuenden Nachtfalken am Mikrophon, der die Bösen ermahnt und die Guten lobt. Nach Yuppie-Manier, selbstredend, doch verdammt in alle Ewigkeit sind jetzt wieder die Gottlosen, so dass der Zuschauer ganz klein im Schosse der Untugend sitzt.
Der Hang zum Dialekt
„Hoffentlich haste ordentlich Bescheid gesagt, ich weiss, wovon ich rede, was bildest dir eigentlich ein, haste alle Tassen im Schrank, Kerle? Biste nicht gut drauf heute, wo kommen wir denn so hin, reisst euch zusammen, Leute, Erwin, ’deine Nervn mecht i hobn‘. Der dort drüben, du kennst ihn, Franzi, der ist gestern abgehauen, mit dem Kleinsten, der von der neuen Frau. Hinkommen, Nerven haben, Abhauen und Durchhalten. Und dann letztendlich das Ende, sag ich.“
Das ist in etwa die Idiomatik, die Sprechwindung der Durchschnittsserie deutschsprachiger Machart. Die Ausnahme macht Liebling Kreuzberg, wo ein Satz noch eine Überraschung ist. Was aus Amerika eingedeutscht serviert wird, das nimmt pompöser die Kurve und tönt allzu oft wie ein quietschender Reifen am Abgrund.
Die Dialoge, die Monologe sind, drücken eine sogenannte Befindlichkeit aus. Diese steht grundsätzlich im Imperativ. Es muss anders werden, so geht das nicht weiter, so läuft das nicht mit dem Leben. Die Identifikation sitzt mit der Ohnmacht am Küchentisch, das macht sie für uns so erfolgreich. Es ist die Tinte, in der man sitzt, welche die Farbe kleckst, in die Grauzonen des Alltags. Der Nulltarif des Lebens hat offenbar die grössere Durchschlagskraft als Erfolg und Wohlbehagen haben, die kommen beinahe nicht vor. Oder es ist höchstens der Erleichterungsseufzer nach getaner Tat: lasst uns einen heben, wir haben’s geschafft, sagt der Kommissar zum Detektiv. Das wär’s dann und Bild aus. Was uns hinhält - am Bildschirm -, ist der Widerstand gegen die Widrigkeiten des Lebens, vorwiegend die Schikanen von Amt und Behörden, Nachbarn und Vorgesetzten. Das kennen wir, und wir bangen mit den Opfern von Staatsanwälten, von Ämtern, Kommissären und Direktoren, haken uns ein in die Kopf-hoch-Moral der Mütter, dem führenden Personal der Vorabendserie.
Es ist unser aller talk, und um die Spannung ein wenig aufrecht zu halten, ist da noch einer, der anders ist. Früher war das der Depp aus der Unterschicht, der mit der Magd in der Küche poussierte; und von diesem Schema der Klassengesellschaft (im Spätbürgertum), die, als Lokalkolorit eines Milieus aufbereitet, die Lacher mit Sicherheit erntet, sind selbst die Klassiker nicht ganz frei. Man denke an Renoirs’ Règle du jeu!
Nun taucht jener, der anders ist - aus dramaturgischen, nicht etwa aus ideellen Gründen - so auf, dass man keine weiteren Umstände mit ihm hat. Das Fremde kommt ja jetzt von selbst in die Lande, und so ist’s jetzt der Türke, der den Kutscher ablöst. Als Taxifahrer darf er nun ruhig neudeutsch radebrechen, damit das Rassenproblem ein wenig angeknickt ist, zur Hintertür winkt es herein, als eine Geste, die nicht weiter inhaltlich zu sein braucht. Die Sprache, oder eben, der talk als Lösungsmittel von Inhalten, die nun egal sind, im wörtlichen Sinne egal: es spielt keine Rolle, wer handelt, wofür, wo jemand herstammt, und vor allem wie er oder sie handeln, es sind alle gleich vor dem Bildschirm, und es kommt nur darauf an, was an Quantität von talk eingebracht wird.
Die Situation und ihr talk ersetzen die Handlung, und selbst in der Krimiserie, welche action als Grundbedingung braucht, geizt man mit Einstellungen, die einen Ablauf beschreiben. Am Türknallen des Autos ist zu erkennen, dass die Chose losgeht. In der nächsten Einstellung ist sie gelaufen und die Reise von Frankfurt nach Rom hat Sekunden gedauert. Man reist nicht mehr in der Vorabendserie, überhaupt nicht mehr im Abendprogramm, man kommt an, man ist angekommen oder abgehauen. (Die story spielt im Perfekt.) Denn das Reisen, das man mitverfolgen kann, der „road movie“, den es im Fernsehen einst gab, wäre gegen das neue Prinzip, das von Innen zu Innen spricht, von Küchentisch zu Küchentisch, vom Schlafzimmer ins Bad, damit wir nahtlos an den talk angeschlossen werden können.
Dem Bild fällt nichts mehr ein, es wurde als Interieur des Möbelprospekts befriedet, ist ein Norm-Interieur des Studios und kommt selten an die frische Luft. Es sei denn auf dem Weg in die Disco, dem Optimum an Aussenwelt im Abendangebot. (Das Interieur wird in zwei Preislagen offeriert: Typ Bungalow mit Swimmingpool, wo „es“ geschieht. Typ Polstergruppe für die sozial Schwachen.)
Die Zeiten des Going-West-Young-Man sind vorbei, das Budget erlaubt keinen Ritt durch die Lande der Bilder, die Serie hat keinen Horizont mehr (ausser in der historischen Klamotte, die wie „Die Musketiere“ in der x-ten remake-Auflage abgespult werden). Der Horizont einer allfälligen Aussenwelt endet beim Familienfoto auf Vatis Schreibtisch im Büro.
Das hat alles System. Ein Zufall kann’s nicht sein, dass wir optisch so kurz gehalten werden: wo kämen wir hin, wenn wir uns auf die Reise begäben am Feierabend, wir würden das System verlassen, das durch den talk am heimischen Herd entsteht, es ist das Symbol der Bestätigung.
Marlborough-Land mag jetzt der Werbung dienen, weiterhin. Was der Fernsehideologie frommt, die der Typus Serie am repräsentativsten vertritt, das bleibt zu Hause und nährt sich schlecht und recht. Die Bilderwelt wird von den Videoclips verschluckt und ist in der „Blue Box“ gefangen. Der Pomp der Ausstattung im schrägen Design wird offenbar nur noch für die Unterhaltungsshow investiert. In der Serie als der Ideologiefabrikantin soll kein grösserer Wunsch entstehen als der, dass es denen da drüben auch nicht besser gehen soll. Und dieser Wunsch wird weidlich erfüllt. Der „plot“ beginnt in den weiten Kulissen des Studios und endet um die Ecke beim Abfallcontainer oder an der nächsten Verbotstafel der Strassenkreuzung. Einbahnstrasse, Bildschnitt, die nächste Einstellung bitte. Da sitzt Frau Dings mit Frau Bums in der Hollywoodschaukel, wenns hochhergeht und hoch kommt, und es geht weiter mit der Kiste von Hans mit der Irma, die den Toni, weil die Ilse mit dem Artie, ihr wisst schon, mit der Beziehung und dem Knatsch, der den Teig bildet, den Grundstoff, das Manna des „TV-food“. Die zunehmende Verarmung, die Dürftigkeit des Bildes wird mit dem talk wettgemacht, der ist bildhaft genug und billiger.
Die Bar, meist die Hausbar, ist der Haupttrakt des Kummers, da schwappt der talk schliesslich hin, wenn er, durch die ewigen Strudel des Alltags in Frankfurt, Hunsrück und Neukölln geschleudert, endlich einhalten möchte. Es herrscht nicht mehr wie einst in den Siebzigern der rauhe Ton vor der Blockhütte vor, der auch eine Pause zulassen konnte, um das Schicksal, das aus den Wäldern hereintrat, wirksam zu machen. Nein, das plauscht und gurgelt durch die Tisch- und Bettgarnituren, das joggt und duscht durch die Kehle, um sich dann abzusetzen, daunenweich, ins nordische Raunen, als hätte die Möbelfirma Ikea, die lustige, sämtliche Rechte an der deutschen Serienfabrikation erworben.
Man muss das nochmals zusammenfassen, es ist zu stark: die Inhalte weichen einer verbalen Motorik, die wie ein Endlosband schlittert, die Sprache verselbständigt sich, als Gerede, als Reden, Plappern, als die Artikulation an sich. Die Handlung wird durch die Situation ersetzt, die sich reiht, additiv, und die Situation, das ist der talk.
Der talk als Ersatzfluidum
Eine Erklärung zu diesem Phänomen liegt nahe, es ist die zunehmende Prüderie. In Hollywood ist man zwar stets puritanisch gewesen, doch wird die Prüderie im Zeitalter von Aids neuaufgelegt. Die Bettszenen fallen jenseits der neuen ’limits“, man sieht kaum noch einen richtig sinnlichen Kuss. Doch in der Sprache, da scheint jenes Thema sich auszutoben, das ein Ana-Thema geblieben ist, der Sex. Und um dieses Tabu im Bilde bauscht sich der talk als Ersatzfludium. Das Reden ersetzt die Sache und erschöpft sich darin. Das hat vor langer Zeit schon Michel Foucault, der grosse philosophische Früherkenner, als Syndrom des Bürgertums bezeichnet.
Doch reicht diese Begründung noch nicht zur Deutung eines Phänomens, das weit ausholt, um sich greift und über die grossen Wasser surft - denn man kann immer noch konstatieren: was in einer deutschen Fernsehserie auftaucht, das hat vor längerer Zeit in Übersee begonnen, in der Traumfabrik. Das Phänomen, so behaupte ich, hat einen Namen, der sich selbst aus der Sache heraushält, die er anrichtete, unfreiwillig erfolgreich, denn der Schöpfer ist weitaus besser als das Phänomen, das er schuf. Der Name und sein persönlicher Auftritt bürgen für eine überragende, einmalige Qualität, sie erfüllen die höchsten Durchschnittsansprüche der Welt.
Das unsichtbare Vorbild
Das Phänomen heisst natürlich Woody Allen. (Das haben Sie doch vermutet, nicht war, als Woody-Fan, der oder die Sie sind.) Das Kino „goes Woody“, und die Epigonen der Grossleinwand ernten die Facher nach seinem Vorbild, zum Beispiel wenn Harry, der Unglücksrabe, Sally trifft. Hier ist das Vorbild auf akzeptable Weise vorhanden, wenn auch unsichtbar, doch im Muster des Dialogs zur „Kenntlichkeit entstellt“, wie Ernst Bloch sagen würde.
Die Ursache ist nicht mehr zu erkennen, die Folgen sind noch nicht abzusehen: in der vierten und fünften Qualitätslage wird die Kopie an ihrem Vorbild zur Schande. Wofür das Vorbild nichts kann, weil es zu gut, zu umwerfend ist, und eine Suggestivkraft besitzt, die ein inkommensurables Epigonentum hervorquellen lässt.
Wie auch immer die Qualität: Woody ist das Medium, das jeden Zustand legitimiert, das ganze Kopfweh der Weltgeschichte, wie es uns täglich eingebrockt wird. Von Manhattan und dessen geistigem Umfeld, das neuerdings bis nach Kanada reicht (zum Beispiel zum Film The Decline of the American Empire, in welchem der talk eine geistige Lustbarkeit ist). Von dort schwappt das Muster über den grossen Teich nach Frankfurt, zu den Mainzelmännchen und bis zu Muttern. Man muss jetzt nicht mehr am Bildschirm nach seinem besseren Ego fahnden, nach einer Heroine des Alltags, die einsam Entscheidungen fällt. Es genügt bis auf weiteres, wenn der Antiheld als hangover persönlich dahintrottet, mit schlappen Schultern und beladenem Rückgrat auf der Bettkante sitzt und dort keine bessere Figur macht als Du und ich.
Wir verdanken dem Woody-Phänomen im Kino ein menschlicheres Menschenbild, und wir verdanken seinen Kopisten im Billigfach die Unsäglichkeit des Sagbaren, das nie aufhört zu quasseln.
Es gibt noch einzelne Fälle, wo der Brei in den Strang eines Dialogs gestrafft worden ist, und sich als Zickzacklinie fortsetzt. Von einer Kommunikation oder gar einer Dialektik kann leider auch hier nicht die Rede sein, denn das geschieht in der pädagogischen Mission - für unsere heben Kleinen und gefährdeten Jugendlichen.
„Etwas an der gesprochenen Sprache ruft danach, festgehalten zu werden“, schreibt der Sprachphilosoph Vilém Flusser. Das scheint auf den Bildschirm am Vorabend zuzutreffen. Der talk bestätigt jede durch jeden, und alle durch eine und einen, weil alle in ihm verbunden sind. Er hat einen common sense, der nicht gegen die höhere Gewalt antritt; aber im Kleinen, auf der mitmenschlichen Ebene, da macht er sich stark.
Was könnte man im Zeitalter der bröckelnden Mauer und der Einebnung des Globus zu einer einzigen Verkaufsfläche an Stilbildung für den Bildschirm besseres, publikumswirksameres wünschen, als dass alle mit allen reden?