HEINI ALPER

VON ZEIT ZU ZEIT (CLEMENS STEIGER)

SELECTION CINEMA

Eine Eisentür geht auf, ein Mann tritt ins Freie, blinzelt in den hellen Himmel; erwartet wird er a) von einer Frau, b) von drei Finsterlingen in einem Auto - aha, ein Krimi! Also, erwartungsgemäss wollen er und sie bald miteinander ins Bett und erwartungsgemäss kommt es nicht dazu, denn die drei Finsterlinge bringen den gerade Entlassenen gleich in arge Bedrängnis ... Stop! Stehendes Bild (mit einer Uhr), Zoom weg vom Schneidetisch — ach so, der Krimi ist ein Film im Film! Na ja, das gab es auch schon, aber mal sehen.

Die zwei Freunde haben also ihren Krimi abgedreht, nun soll geschnitten werden; aber jetzt stimmt plötzlich mit der Uhr etwas nicht: beim Drehen war sie exakt auf 9 Uhr, bei jedem Betrachten des Filmmatertals wird die Uhrzeit von Mal zu Mal weitergerückt sein - auf dem Film im Film. Irritiert suchen Autor/Darsteller Wolf und Kameramann Stefan nach einer Erklärung, doch die beiden Bilderwelten von (Film-)Fiktion und (Film-) Wirklichkeit geraten immer mehr durcheinander: Wolfs kleiner Sohn sieht einem Flugzeug nach, verschwindet spurlos und wird irgendwo in der Gegend des Flughafens gefunden; ein in seiner Lebenskrise steckender Rasenmähervertreter, für den Stefan einen Werbefilm dreht, beginnt sich auf merkwürdige Art für den Krimi zu interessieren; ausserdem entpuppt er sich als Pistolenträger. Das Filmmaterial macht sich inzwischen immer mehr selbständig und enthält plötzlich Szenen, die nie gedreht wurden.

Als Wolf den Film schliesslich zum Abfall wirft, wird dieser prompt von einer im Schneideraum eingemieteten Frau, die an einem Film aus Filmabfällen arbeitet, „gerettet“. Ereignisse und Bilder überstürzen sich, bis es Wolf schliesslich reicht: Er setzt sich mitsamt Söhnchen in die Karibik ab, während der Rasenmähermensch verhaftet wird, weil er - dummerweise im Bereich einer Überwachungskamera - mit seiner Pistole herumfuchtelt; zurück bleibt Stefan, gedankenverloren Wolfs Flugzeug nachblickend.

Steigers Film ist, abgesehen von ein paar wenigen Längen, wo er eindeutig durchhängt, recht spannend gemacht, die Story — das Verwirrspiel um Fiktion und Wirklichkeit - gut eingefädelt. Im Formalen zeigt sich solides Handwerk ohne besondere Überraschungen. Etwas geschmäcklerisch und daher aufgesetzt wirkt die Schluss-Szene (Tanz der Filmbüchse mit dem verflixten Inhalt auf dem Geländer der Zuschauerterrasse am Flughafen, auf der Büchse sich spiegelnde Abendsonne). Überflüssig schliesslich der Auftritt (etwa 5 Sekunden) von guest star Bruno Ganz als Boss im (Krimi-)Hintergrund; sollte hier ein Markenartikel die Darstellerliste bereichern?

P: Kyros Film. B: Clemens Steiger, Jörg Helbling. R: Clemens Steiger. K: Clemens Steiger. T: Raoul Peck. S: Fee Liechti. M: Andy Frei. D: Andreas Löffel, Laszlo Kish, Ingold Wildenauer, Manuela Trapp, Martin Inglin. W: Kyros Film (Zürich)

16 mm, Schwarzweiss, 76 Minuten.

Heini Alper
geb. 1946, Mitglied der S-8 Gruppe Zürich und Mitarbeiter verschiedener Filmprojekte, arbeitet in der Dokumentation „Wort“ des Schweizer Fernsehens DRS.
(Stand: 2019)
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