CAROLA FISCHER

GEKAUFTES GLÜCK (URS ODERMATT)

SELECTION CINEMA

Ein ländlicher Friedhof im Regen ist der Schauplatz für die erste und die letzte Szene des Films von Urs Odermatt. Zu Anfang steht der Windletenbauer am Grab seiner 78jährigen Mutter, beim zweiten Begräbnis ist es seine junge thailändische Ehefrau, die im Sarg liegt. Dazwischen spielt sich eine Geschichte ab, die die schweizerische Landbevölkerung in ihrer Beschränktheit, ihrer Enge und mit ihrem notorischen Fremdenhass zeigt, und die im gegenwärtigen politischen Klima durchaus vorstellbar ist. Der Tod seiner Mutter gibt dem Nidwaldener Bergbauern endlich die Möglichkeit, eine eigene Frau in das entlegene kleine Bauern-Heimet zu führen, in dem für zwei Frauen kein Platz war. Die Brautschau, genährt von romantischen Vorstellungen und unterdrückten sexuellen Phantasien, vollzieht sich unter der regen Anteilnahme der gesamten dörflichen Bevölkerung. Die meisten erwarten selbstverständlich vom Windletenbauer, dass er sein Gschpönli aus der Kindheit, das Vreneli wählt. Aber wohl allzusehr gemahnt sie in ihrer bäuerlichen Strenge an die verstorbene Mutter. In ihm lebt eine Sehnsucht nach Jugend und Unberührtheit, die seine Nachbarn in der ihnen eigenen Unverblümtheit als Gier nach jungem Fleisch denunzieren. Er wäre ein echter Sohn seiner Landschaft nicht, besässe er nicht diesen Starrsinn, an seinen Träumen hartnäckig festzuhalten. Seine Suche führt ihn von der Tanzveranstaltung in Stans über die Wohnung einer professionellen Heiratsvermittlerin (eine grossartige Rolle für Helen Vita) bis zu dem gerissenen Frauenhändler, der für ihn eine thailändische Bauerntochter importiert. Die Trauung wird sofort nach Ankunft der Braut auf dem Standesamt vollzogen, das gekaufte Glück kann seinen Lauf nehmen. Während sich die beiden so ungleichen Ehepartner auf dem entlegenen Bauernhof einander zaghaft nähern, ist im Dorf der Teufel los. Neid, Missgunst und unverhohlene Eifersucht treten zutage. Unter dem Deckmantel christlicher Empörung werden die eigenen unterdrückten sexuellen Begierden auf die beiden projiziert. Auf dem Postamt und im Wirtshaus wird gehechelt und spekuliert, welch abartigen, ungezügelten fleischlichen Genüssen sich wohl der Windleter mit seiner schlitzäugigen Konkubine hingeben mag. Auf dem Berg entfaltet sich indessen die sprachlose Romanze zwischen dem dickschädeligen, sanftmütigen Innerschweizer und seiner stets leicht frierenden, scheuen Asiatin. Es ist seine unbekümmerte Naivität, die ihnen zum Verhängnis wird. Zu gleichmütig ist er, die bedrohlichen Anzeichen zu deuten. In welcher Sprache sollte ihm seine Ehefrau auch vermitteln, auf welches Ausmass von Hass sie trifft, wenn sie mit ihrem Velo ins Dorf fährt. Mit welcher Aggressivität und ungezügelter Gier ihr der Gemeindeschreiber, der sex maniac des Dorfes nachstellt. (In der auffallenden Unbekümmertheit und Spielfreude, mit der alle Schauspieler in dem Film agieren, schiesst der deutsche Regisseur Werner Herzog in dieser Rolle den Vogel ab, indem er fast eine Parodie auf seinen eigenen Lieblingsbösewicht Kinski abliefert.)

Während der Windleter bei seinem sonntäglichen Wirtshausbesuch zur Verteidigung seiner Ehre eine zünftige Schlägerei inszeniert, vollzieht sich auf seinem Hof der letzte Akt des Dramas. Wohl wissend, dass er sie alleine antreffen würde, versucht der lüsterne Gemeindeschreiber, die Thailänderin mit Gewalt zu missbrauchen und tötet sie dabei. Am Ende des Films ist also der Bergbauer wieder allein; umgeben von der gleichen bigotten und heuchlerischen Dorfclique, die schon seine Mutter zu Grabe getragen hat. Das Verbrechen wird zweifellos nicht gesühnt werden; seine Träume sind zerschellt an der engstirnigen Realität seines Heimatorts.

Odermatt erzählt diese tragische Geschichte, deren tagespolitischer Bezug und sozialkritischer Gehalt evident sind, in eigenartig unschlüssiger Weise. Obwohl der Film durchaus schwankähnliche Elemente enthält, viele Szenen bodenständig-schweizerisches Verhalten in karikierender Form beschreiben, hat der Film dennoch nicht die ironische Schärfe und den satirischen Ton der Schweizermacher. Er besitzt aber auch nicht die Spannung und Bedrohlichkeit des Sozialdramas im neorealistischen Stil. Zudem bewegt sich der Film ständig haarscharf auf der Grenze zwischen Schmierenkomödie und rührendem Heimatfilm und lässt einen als Zuschauer letztlich kalt. Die Anteilnahme am Schicksal der Hauptfiguren bleibt eine lasche Betroffenheit, die nicht aufwühlt. Vielleicht ist es jedoch gerade diese moderate sozialkritische Haltung, die den Erfolg des Films ausmacht. Gekauftes Glück war einer der erfolgreichsten Schweizer Filme des Jahres 1989.

Carola Fischer
geb. 1949, cinephile Germanistin, arbeitet in der Dokumentation „Wort“ des Schweizer Fernsehens DRS.
(Stand: 2019)
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