VALÉRIE PÉRILLARD

TILL (FELIXTISSI)

SELECTION CINEMA

Verheissungsvoll beginnt der Film, schwarzweiss und mit Zwischentiteln; gespannt wartet man auf das, was verfremdet werden soll. Und siehe da, wie ein kleiner König thront Jungfilmstar Till auf dem Hintersitz eines Taxis, äusser dem Chauffeur weit und breit keine Menschenseele. Wenig später übergibt der Taxifahrer auftragsgemäss das anderthalbjährige Knäblein dem verdatterten Vater Philipp. Er stellt das wohlverpackte Kind in die Ecke und telephoniert genervt der Mutter. Über deren Telephonbeantworter erfährt er das Wichtigste: „Ich bin weg, mach’s gut mit Till, lies im Märchenbuch [das sich als das feministische Machwerk Der Tod des Märchenprinzen entpuppen wird] auf Seite [...] weiter.“

Episodenhaft nehmen wir teil am neuen Leben des unerfahrenen Vaters mit dem herzigen Söhnchen. Zum Glück arbeitet Philipp zu Hause, er repariert kaputte Fernsehapparate, so kann er Till immer im Auge behalten. Doch welche Windeln behagen dem sanften Kind wohl am besten? Und wie soll er den erkälteten Sohn pflegen? Philipp schafft es tatsächlich, anstelle der Temperatur des Kindes diejenige der Bettdecke zu messen. Tragikomisch sollte wohl die Unbeholfenheit des Softievaters wirken, doch zu viel Blödheit ist schlichtweg langweilig. Der Witz der Geschichte: Philipp verharrt in absoluter Berührungsscheu vor seinem Söhnchen und hält ihm dafür endlose Monologe über Gott und die Welt und den Feminismus. So brav und ruhig nimmt Till seine therapeutische Funktion hin, dass einem angst und bange wird.

Vater und Sohn schaffen es jedenfalls, anderthalb Stunden lang gleich dreinzuschauen. Wie sollten sie auch Konturen bekommen, ist doch nicht nur ihre Beziehung platt und gefühllos, sondern auch ihr soziales Umfeld aufs Minimalste reduziert?

Immerhin lernt der alleinstehende Vater im Zoo eine alleinstehende Mutter kennen. Die Romanze kann beginnen. Während es draussen wie immer winterlich kalt und grau ist, schaut das frischverliebte Paar zusammen fern. Dank Tills unschuldigem Herumfingern an den väterlichen Arbeitsgeräten empfangen die beiden nun sinnigerweise Eskimofernsehen. Was die Magie der Kindheit doch alles bewirkt!

Die neuen Männer dürfen wieder ungehemmt oben liegen, lernen wir von Philipp, jederzeit absprungbereit wenn das Kind ruft. So muss die stöhnende Frau irritiert zur Kenntnis nehmen, dass die vermeintlich gehörten Kinderschreie wichtiger als die gemeinsame Lust sind.

Am Schluss des Films merkt Philipp, dass er seinen Sohn behalten will. Das war’s.

Valérie Périllard
ist Volkskundlerin und Regieassistentin in Zürich.
(Stand: 2019)
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