PAULE PAULÄNDER

IMAGO – MERET OPPENHEIM (PAMELA ROBERSTON-PEARCE, ANSELM SPOERRI)

SELECTION CINEMA

In Imago, einem Dokumentarfilm über Leben und Werk von Meret Oppenheim, hätte die Künstlerin selbst zu Wort kommen sollen. Ihr Tod hat das verunmöglicht.

Das vielfältige Werk aus Tage- und Traumbüchern, Objekten, Bildern und Fotografien bot aber soviel Material, dass Pamela Robertson-Pearce und Anselm Spoerri einen gut dokumentierten Film zusammenstellen konnten. Allerdings gelingt es den beiden nie, ihre Ehrfurcht und eine gewisse Scheu völlig abzulegen. So habe ich das Gefühl, dass die Distanziertheit, die den Film prägt, der Intensität, Vielfalt und Widersprüchlichkeit Meret Oppenheims nicht gerecht zu werden vermag.

Oft gehen die Autoren den Ereignissen nicht auf den Grund. Spätestens seit Nizons Diskurs wissen wir, dass die Enge der Schweiz Künstler und Künstlerinnen mannigfach in tiefe Krisen stürzt. Warum Meret Oppenheim sich aus einer Krise in die Enge einer gutbürgerlichen Ehe flüchtet, wäre zum Beispiel interessant gewesen zu erfahren. Der Film weckt Neugierde auf die Künstlerin. Eine Neugierde, die dann aber immer wieder von den langwierigen Versuchen, Denk- und Erlebnisprozesse in filmische Bilder zu bannen, frustriert wird.

Denk- und Erlebnisprozesse notabene, die sich vor allem im psychologischen Bereich bewegen (Oppenheim war stark von C. G. Jung inspiriert) und deren sprachliche und künstlerische Umsetzung vielfach interessanter sind, als die oft gesuchten und ein wenig beliebigen Bilder des Films. Auf der anderen Seite werden einem wichtige Bildinformationen vorenthalten: den Berner Waisenhausplatz, auf dem ein umstrittener Brunnen Oppenheims steht, sieht man nie, obwohl im Kommentar darauf hingewiesen wird, wie wichtig für die Gestaltung des Brunnens die spezielle Umgebung war.

Paule Pauländer
ist Dokumentarist, Musiker und Kinogänger in Zürich. Ehemaliger Mitherausgeber des CINEMA.
(Stand: 2019)
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