PIERRE LACHAT

LIEBESERKLÄRUNG (URSULA BISCHOF, GEORG JANETT, EDI HUBSCHMID)

SELECTION CINEMA

Aus Schweizer Spielfilmen aller Epochen hat Georg Janett Szenen ausgewählt, die im weitesten Sinn von der Liebe handeln, und führt in einer Art realsatirischen Revue quer durch die Dekaden vor, wie es die Kinophantasien der aufeinanderfolgenden Generationen mit der Geschlechterbeziehung hielten. Das beginnt mit den Stummfilmen und endet praktisch in der Gegenwart, die im Unterschied zu den vital drängenden historische Teilen etwas zu breit und repetitiv dargestellt scheint, doch sind eben dort, wo noch kein Gras über die Filme gewachsen ist, selektive Entscheide auch schwerer zu treffen, nicht zuletzt darum, weil sie von Dritten leichter zu überprüfen sind. Vom alles verklärenden und vernebelnden Idealismus der Vor- zur zunehmenden Nüchternheit und sexuellen Ausdrücklichkeit der Nachkriegszeit, von der dienenden Frau zur selbständigen Partnerin schliesst sich der Bogen recht anschaulich. Fast immer bevorzugt Janett die zumeist unfreiwillig komischen Seiten der Liebe, ist ihm mit der parodierenden, das gegebene Material forcierenden Montage am wohlsten. Nur vereinzelt will er authentisches, also ernstzunehmendes Liebesgefühl in Schweizer Spielfilmen überhaupt eruiert haben, doch könnte er auch ganz allgemein seine liebe Mühe mit der Liebe haben, wenn es sie nicht nur interpretierend darzustellen, sondern lebendig nach- und mitzuempfinden gilt.

Weit mehr Mühe, als Janett mit der wahren Liebe hat, bekundet - und zwar nicht nur mit dieser - das 68er Schreiber-As, das im Auftrag von Produzent Edi Hubschmid einen Kommentar über die Montage hinweg geschrieben hat. Niklaus Meienbergs selbst- und gagverliebte Schreibe, die er so und nicht anders seinem Publikum bis zur stilistischen Unfreiheit schuldig ist, weist dick mit dem Finger auf sich selbst und seltener auf den Film und offenbart, dass der Verfasser wohl seine Jagdgründe in der Politik und in der Literatur hat, aber weder von Kino noch von Gefühlen viel versteht und erst recht zum Thema Liebe im Schweizer Film keinerlei Beziehung hat. Spätestens dort, wo der Titel Liebeserklärung doppeldeutig auch die zitierten Filme, das alte und neue Schweizer Kino selber meint, erweist sich der Starkommentator als eine krasse Fehlbesetzung, die mit literarischen Trivialbildern wie „Der Hafen der Ehe wird zum Trockendock“ - kaum zu glauben, aber wahr — um sich schmeisst oder vom „Schraubstock der Gefühle“ faselt. Einzig der Umstand, dass der Kommentar nur ärgerlich, nicht aber auch noch geschwätzig ist, verhindert, dass Janetts Arbeit von Meienbergs Pfusch verdorben wird.

Pierre Lachat
Keine Kurzbio vorhanden.
(Stand: 2020)
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