HEIDI STUTZ

KARMA (HÔ QUANG MINH)

SELECTION CINEMA

Hô Quang Minhs Film hat mit der Schweiz nicht mehr gemeinsam als gerade ihn. Der Produzent, Ko-Autor und Regisseur kommt aus Hanoi, lebt aber in Lausanne, ein Vietnamese mit Schweizer Pass. 1984/85 ist er in die Heimat zurückgekehrt und hat rund um Hô-Chi-Minh-Stadt (früher Saigon) als erster einen Spielfilm aus dem Inneren des Vietnamkrieges gedreht. Der Blickwinkel entspricht dem der südvietnamesischen Verlierer. Von New York Times bis Far Eastern Economic Review wurde Karma als Gegenstück zur Hollywood-Action im Rambo- oder Platoon-Zuschnitt gefeiert. Die Chance, Kasse zu machen, hat die behutsam erzählte Geschichte einer am Krieg zerbrochenen Liebe kaum.

Nga erfährt, ihr Mann Binh sei vermisst, vermutlich im Kampf umgekommen. Gleichzeitig wird ihr Dorf von eigenen Truppen geräumt und angezündet. Hörbar amerikanische Propaganda will den Leuten via Megaphon weismachen, die Kommunisten seien Schuld an ihrer Lage. Direkt treten die Kriegsverbündeten aus USA nie im Film auf. Nga lebt im Lager von den letzten Besitztümern, landet dann als Animiergirl im Amüsierbezirk der Armee. Hier trifft sie Binh, Offizier einer todesmutigen Spezialeinheit, zufällig wieder. Nga versucht ihre Lage zu erklären. Er aber stösst sie zurück. Auch Freund Tri, selbst Soldat wider Willen, kann den Kriegshelden nicht für mehr Menschlichkeit gewinnen.

Karma setzt nicht auf den Thrill eines undurchdringlichen Dschungels, nicht auf die Spannung von Kampfszenen um Leben und Tod. In einfachen Schwarzweiss-Bildern und kargen Dialogen schildert er die Kriegszerstörung im menschlichen Inneren. Die nur ansatzweise als Individuen charakterisierten Protagonisten bleiben befremdlich fremd. Ihre Darstellung wirkt für westliche Augen manchmal sentimental überhöht. Nicht nur der Blickwinkel, auch die Machart kommt eben aus dem Inneren des fernöstlichen Vietnam.

Heidi Stutz
ist freie Journalistin in Zürich.
(Stand: 2019)
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