MONICA NESTLER

IKARIA BP 1447 (PIERRE-ALAIN MEIER)

SELECTION CINEMA

Diesen, seinen ersten Dokumentarfilm drehte der 35jährige Genfer Cineast auf Ikaria, der griechischen Insel zwischen Mikonos und Samos im Oktober 1986. In einer kleinen Ortschaft, die vom Tourismus noch ziemlich unberührt wirkt, lässt der Filmer Frauen und Männer aus ihrem Leben erzählen, von ihren Mythen, über ihre politischen Erfahrungen, über die Inselprobleme und die Alltagsgewohnheiten. Nur selten begleitet er die Befragten in ihre Heime, kaum einmal zeigt er jemanden bei der Arbeit, er verzichtet auf detaillierte Bilder der dörflichen Lebensumstände, bleibt unmittelbar bei den Personen, zeigt eindrückliche Gesichter. Gefilmt wurde vor allem im und um das Café, wo gerade die Männer ihre Herbsttage und-abende verbringen, wo man viel redet, fernsieht, vor sich hindöst.

Dicht wirkt der Film — für den Pierre-Alain Meier zusammen mit Ferenc Adras (Die grosse Generation) den Grossen Preis des 15. Strassburger Festivals erhielt — wenn die Sprechenden ihre Erinnerungen oder Alltagserfahrungen vermitteln können, doch andere sind des Redens ungewohnt: „Was soll ich sagen, wenn ich’s nicht kann?“ In diesen Szenen, in denen ebenso unnach- wie unergiebig vom Einzelnen ein verbaler Beitrag für den Film gefordert wird, wird man ärgerlich und das trotz der Qualität der Porträtaufnahmen.

Monica Nestler
ist Fotografin und Journalistin, lebt in Brissago.
(Stand: 2019)
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