NIKLAUS OBERHOLZER

TESSINER FIEBER (THOMAS GESER)

SELECTION CINEMA

Dass die Skandalgeschichte einer Schweizer Grossbank mit ihrer Tessiner Zweigstelle, dass die verschiedenen mafiosen Finanztransaktionen zwischen Italien und den Banken im Tessin, dass diese und verwandte Spielarten des Finanzplatzes Schweiz einmal ihren Niederschlag im Schweizer Film finden würden, war zu erwarten. Dass dabei die Mittel des Sarkasmus und der Satire gewählt würden, konnte man sich ebenfalls ausmalen. Dass dies aber auf so plumpe, dümmliche und schlicht völlig inadäquate Weise geschieht, wie es Thomas Geser in Tessiner Fieber macht — das hat denn doch überrascht. Dass der Film gar vom ZDF im Januar 1987 ausgestrahlt wurde, ist schliesslich nur noch tragisch. Das Thema — ein ernstes Thema wirklich— hätte auf jeden Fall Besseres verdient, und wer vom Schweizer Film mit Recht grössere Nähe zur politischen Realität dieses Landes erwartet, wird zweifellos das nicht meinen, was Geser mit diesem Film vorlegt.

Die Idee, dass in einem Kanalreinigungsfahrzeug schmutziges Geld von Mailand in die Schweiz und in ein heruntergekommenes Tessiner Sanatorium gebracht und dort gereinigt, gewaschen und gebügelt wird — von dümmlich herumtanzenden und singenden „Girls“ —, mag ja zur Not noch witzig erscheinen. Die Geschichte aber um die Tessiner Filiale der Atlas-Bank, die ein Revisor unter die Lupe nehmen sollte, wird zum naiven Schwank, der im Grund nur zeigt, dass der Autor von dem vielschichtigen Thema wenig Ahnung hat und kaum den Ernst der Sache durchschaut. Die Machart entspricht diesem Unvermögen: eine abgeschmackte Revue mit allen aufgedrehten Klischees vom Anwalt mit tausend Verwaltungsrats-Präsidien bis zur Femme fatale, welche die Männer betört und bezwingt. Von Recherche, von einem Befragen der Mechanismen, von Antworten auf Warum und Wozu keine Spur. Ob sich wirkliche Geld-Schieber und Geld-Wäscher über den Film ärgern? Kaum — sie werden sich ins Fäustchen lachen...

Niklaus Oberholzer
*1940, studierte Kunst- und deutsche Literaturgeschichte. 1974 wurde er Leiter des Kulturressorts des Vaterland, der Luzerner Zeitung und der Neuen Luzerner Zeitung. Er war Mitglied des Stiftungsrates von Pro Helvetia. Für seine Arbeit als Kunstvermittler wurde Oberholzer 1996 mit dem Anerkennungspreis des Eidgenössischen Departements des Inneren ausgezeichnet. Als freier Publizist schreibt er für Medien und Verlage.
(Stand: 2019)
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