FILMTEAM ABBÉ JOYE

DES FILMS PERDUS — DU PROBLÈME DE LA CONSERVATION DES FILMS A L’ARCHIVE DE L’ABBÉ JOYE

CH-FENSTER

Avant-propos de la redaction: Au sein d’une culture cinématographique et d’une infrastructure, le travail et le rayonnement d’une cinémathèque digne de ce nom devraient prendre une place privilégiée. Nous avons prié Hans Stebler, du Filmteam Abbé Joye, de nous fournir un article sur ce sujet qui ne touche le problème de la Cinémathèque Suisse à Lausanne qu’en fonction du thème principal, soit: l’archive de l’abbé Joye. Ce dépôt comprend environ 2 000 films datant de l’époque d’avant 1914; la plupart des pièces sont pratiquement anéanties en suite de manque de soins adéquats et d’initiative. Les jésuites tentèrent bien de sauver eux-mêmes l’une ou l’autre pièce, mais un tel «sauvetage» requiert des connaissances spécialisées. Or, des spécialistes, il y en aurait, mais ils n’ont pratiquement pas accès à ce matériel, car les jésuites, qui pourtant ne sont pas des plus pauvres, vendent ces copies à des prix beaucoup trop élevés — non seulement pour la Suisse mais aussi pour l’étranger. Ainsi, il y a une siutation de pat. C’est à ce sujet que Hans Stebler nous donne quelques informations prudentes.

Vorwort der Redaktion: Arbeit und Ausstrahlung der Cinémathèque müssen innerhalb einer jeden filmischen Kultur und Infrastruktur einen privilegierten Platz einnehmen. Wir haben Hans Stebler vom Filmteam Abbé Joye gebeten, zu dieser Frage einen Beitrag zu liefern, der die Angelegenheit der Cinematheque Suisse in Lausanne nur in Funktion zum Hauptthema berührt: jenem des Archivs Abbé Joye. Dieses Lager umfasst an die 2000 Filme aus der Zeit vor 1914; der grösste Teil davon ist durch mangelnde Sachkenntnis und Initiative bereits zerstört worden. Allerdings versuchten die Jesuiten selbst das eine oder andere zu retten: Doch dazu braucht es natürlich Spezialisten. Und just jene, die diese Kenntnisse besässen, kommen nicht an das Material heran: Weil die Jesuiten, die zweifellos nicht besonders arm sind, für die Kopien äusserst hohe Preise verlangen, Preise, die nicht nur für die Schweiz zu hoch sind. Es herrscht also eine Patt-Situation. Dazu liefert Hans Stebler einige vorsichtige Informationen.

Verlorene Filme – Zur Frage der Filmpflege und insbesondere des Archivs Abbé Joye

Auf der Türe zum Lagerraum stand geschrieben: Rauchen verboten, sig. Feuerpolizei. Und als wir sie öffneten, wälzte sich uns der Geruch von hunderttausend Kohlröschen oder Männertreu entgegen. Dieser Gestank stammte jedoch nicht von Bergblumen, sondern von Nitratfilmen. In Blechbüchsen standen sie fein säuberlich von 1 bis 1500 nummeriert auf Gestellen herum.

Das war in Zürich in einem Privathaus beim Bahnhof Enge. Und ein halbes Jahr später begegneten wir diesem unverkennbaren Nitratgeruch in Lausanne wieder, in der Cinémathèque Suisse. Unser Filmteam war gerade mit den Vorbereitungsarbeiten für einen Kurzfilm über den Jesuiten Abbé Joye beschäftigt. Dabei erhielten wir Einblick in die Problematik heutiger Filmarchive: in ein symptomatisches kulturpolitisches Phänomen.

In einem Gespräch mit Rudolph Chelminsky von der amerikanischen Zeitschrift LIFE sagt Henri Langlois, Cinémathèque Franchise:

Die wichtigste Rolle eines Filmarchivs ist das Erhalten. Es gibt viele Dinge, die wertlos erscheinen, denen indes die Zeit einen heute noch nicht erkennbaren Stil geben wird. Es gab vor dem Krieg schon Filmarchive, die viele Filme hätten retten können. Warum haben sie es nicht getan? Weil sie an eine ‘Auswahl’ dachten, während doch ihre einzige Sorge hätte sein müssen, alles zu retten.

Die Auswahl ist wie die Kritik ein Spiel: man spielt mit der Zukunft. Deshalb nehme ich jeden Film in unser Archiv auf.

Eileen Bowser, Konservatorin bei der Filmabteilung des Museum of Modern Art in New York schreibt an Bhagwan D. Garga, Korrespondent beim UNESCO KURIER:

Hunderte wichtiger, amerikanischer Filme sind im Laufe der Jahre verschwunden — nicht dass sie unbedingt zerstört worden wären, vielmehr kümmert man sich darum, dass sich die Nitratbänder zersetzen.

Nach den Schätzungen Jörn Dommers, vom Schwedischen Filminstitut in Stockholm, sind zwei Drittel aller Werke aus der Stummfilmzeit und die Hälfte der wertvollen Filme verschwunden. Und Kevin Gough-Yates, Konservator des National Film Archive in London, mahnt:

Solange die Regierung kein Gesetz herausbringt, das die Produzenten zwingt, ihre Filme im National Filmarchive zu hinterlegen, werden wir meines Erachtens immer weitere Filme verlieren.

Abbé Joye liebte seine Filme. Er war sogar richtig vernarrt in sie. Eigentlich hatte er es damals um die Jahrhundertwende gut: Weil ein heutiges Filmverleihsystem noch nicht existierte, konnte er für billiges Geld alle abgelaufenen Kinofilme der Basler Kinematographentheater erwerben. Am Schluss waren es sage und schreibe zwei Tausend verschiedenste Streifen. Alle damals gängigen Genres hatte er in seiner Sammlung vertreten. (Wofür und wie er diese Filme einsetzte, darüber hätte unser geplanter Kurzfilm informieren sollen.) Abbé Joye starb 1919 in Basel.

Am 8. November 1974 publizierte die NZZ einen Brief von Herve Dumont, der die Position der Cinémathèque Suisse verteidigte.

Die Verweigerung Berns, unsere Subvention zu erhöhen oder auch nur der Erhöhung der Lebenshaltungskosten anzugleichen, ist eine unverzeihliche Tat.

Das Schweizerische Filmarchiv ist keineswegs ein ‘Fass ohne Boden’, aber es braucht dringend wirkungsvolle finanzielle Unterstützung, wenn nicht einen Spezialkredit für Aufbewahrungszwecke.

Zur generellen Information: Das Umkopieren eines einzigen Farbstummfilms von 90 Minuten kommt auf 20 000 Franken zu stehen, also 10 Franken pro Meter.

Im Jahre 1973 wurden 70 000 Franken unserer ‘ordentlichen’ Subvention dafür verwendet, alte brennbare Nitratfilme aus der Stummfilmzeit auf sogenannten Sicherheitsfilm umzukopieren, weil die Werke sonst durch Verwesung oder einfach durch Verbleichen der fotografischen Emulsion für immer vernichtet wären.

Wer mit der Empfindlichkeit und den komplizierten Konservierungsproblemen des Nitratfilms vertraut ist, kann demnach annehmen, dass der grösste Teil des einheimischen Filmgutes vor 1940, der nicht bereits unter den notwendigen Bedingungen in der Cinémathèque aufbewahrt wird, vermutlich schon seit Jahrzehnten zerstört ist. Ferner befindet sich noch einiges Material in den Händen von Privatpersonen, die die Filme wohl verkaufen würden, jedoch zu Preisen, die angesichts der staatlichen Subvention nicht in Frage kommen.

Alex Bänninger, Chef der Sektion Film des Eidgenössischen Departements des Innern, antwortet in der NZZ:

Das Eidgenössische Departement des Innern hat allen Anlass, vom Filmarchiv das langfristige filmwissenschaftliche Arbeitsprogramm und den seit zwei Jahren fälligen Generalplan zu erwarten, damit es über die für die eigentliche Rettung alter Schweizer Filme benötigten Gelder entscheiden kann, und zwar in einer Gewissheit, dass dafür eine filmhistorisch und ganz allgemein kulturell wichtige Aufgabe erfolgreich unternommen wird. Es ist nämlich gerade die Notlage, die den sorgfältig konzipierten Einsatz erheischt: in Fortsetzung jener Ideen, die 1971 niemand anders als das Filmarchiv selber aufstellte.

Das Filmarchiv Joye befindet sich seit 20 Jahren in Zürich und gehört den Jesuiten in der Schweiz. Konservator ist Dr. Stefan Bamberger, der heute in Rom lebt. Er war es auch, der bereits vor Jahren über das Archiv irdormierte und damals verbissen mit der Rettung der Filme begann: Zurzeit lagern circa 200 Dup-Negative in der Jesuitenkurie in Rom.

Von den ursprünglich 2000 Originalen befinden sich etwas mehr als 1000 in Zürich. Und die Hälfte davon ist, so vermuten wir, auch schon degeneriert, also nicht mehr zu retten.

Die Rechnung geht auf: Drei Viertel des ursprünglichen Bestandes an Filmen ist durch all die Jahre draufgegangen. Filme von Griffith, Ince, Porter und Edison, von Méliès, Lupin und Max Linder sind verloren. Und dem restlichen Viertel droht dasselbe Schicksal.

Unser geplanter Kurzfilm über Abbé Joye hätte das Nebenziel gehabt, über dieses Filmarchiv zu informieren. Einen Herstellungsbeitrag von 15 000 Franken hat uns das EDI abgeschlagen. Unser Informationsmaterial über das Filmarchiv Joye hat bei allen Filmkommissionsmitgliedern höchste Aufmerksamkeit geweckt. Jedenfalls zirkulierten sofort Briefe zwischen Bern, Lausanne und Zürich:

II y a là, je vous le signale, des sujets suisses d’avant 1914; il y aurait encore de petits moreeaux à sauver. Mais tout ce tresor est en train de mourir. Et je crois qu’il est déjà trop tard pour entreprendre une action vraiment sérieuse dans ce domaine. (12. März 1974, Freddy Buache, Cinémathèque Suisse, an Alex Bänninger.)

«Peut-etre voyez-vous une possibilite d’integrer l’archive de l’Abbé Joye dans le projet pour le sauvetage du patrimoine cinématographique Suisse?» fragt Bern am 14. März 1974, zurück.

Antwort von Freddy Buache:

II est évident qu’il serait la noble tâche de la Cine-matheque Suisse de sauver et de conserver le patrimoine cinematographique suisse, ainsi que tous las documents de l’histoire du cinema auxquels eile a acces.

Depuis 1971, ou bien meine depuis plus longtemps, vous etes au courant de la Situation de la collection Abbé Joye. Nous vous prions donc vivement de bien vouloir prendre les mesures nécessaires afin que cette affaire importante puisse etre réglée d’une maniere satisfaisante.

Film ist Kulturgut. Man weiss, dass Millionen von Metern der Stummfilmproduktion aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg verlorengegangen sind. Dieses unbezahlbare Belegmaterial hätte uns eine ganze Epoche auferstehen lassen können. Man weiss das genau, aber solange wir kein Gesetz haben, das Filme zum Kulturgut erklärt, wird es auch keine staatlichen Mittel geben, um dieses unersetzbare Kulturgut sachgemäss (z. B. in einem Film-Museum) der Nachwelt zu erhalten. Und solange es dieses Gesetz nicht gibt, müssen alte Filme mit einer stiefmütterlichen Behandlung vorliebnehmen seitens der Sektion Film des EDI, welche mit anderen Aufgaben (z. B. Förderung des Schweizer Films) überlastet ist.

An der ETH in Zürich, die direkt dem Bund (EDI-Bern) unterstellt ist, gibt es ein Photographisches Institut: Warum hat der Bund oder die Cinémathèque Suisse nicht schon lange begonnen, in diesem Institut Nitratfilme umzukopieren?

Zeit ist Gift für Nitratfilme. Wir haben gesehen, wieweit es mit den 2000 Filmen aus dem Filmarchiv Joye gekommen ist. Viele von diesen Filmen sind bereits degeneriert. Wir haben sie verloren. Aber wir können versichern: Einige Filme aus dem Archiv sind noch zu retten. Unter diesen solche mit Schweizer Sujets [alle vor 1914 gedreht]:

513 Kinderfestzug und Gruppen vom Zürcher Sechseläuten 1908 (101 m).

1248 Von Luzern auf den Pilatus (81 m).

1257 Ansicht des Alpnachersees (57,8 m).

1258 Das Lötschental (74,6 m).

1280 Lugano und der See (73 m).

1360 Kletterei im Wallis (104 m).

1436 Die Albula-Bahn (114 m).

1437 Ausflug auf den Rigi (87 m).

1460 Ober die Wengeralp (113 m).

1488 Der Genfersee (99 m).

1492 Leukerbad (35 m).

1519 Besteigung der Jungfrau (176 m).

1541 Winzerfest in Vevey (191 m).

1545 Winter im Churwaldental (287 m).

1549 Gotthard (340 m).

Filmteam Abbé Joye
Keine Kurzbio vorhanden.
(Stand: 2020)
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